Gesundheit
-Teil 4-
(Quelle: http://www.albert-heim-stiftung.ch/downloads/01-06.pdf
)
Wissenschaftliche Beilage der Albert-Heim-Stiftung
Schaltwirbel im
Kreuz-Lendenbereich
- sind sie verantwortlich für das Cauda equina-Syndrom?
In
der tierärztlichen Praxis werden immer wieder Hunde vorgestellt, die
beim ins Auto springen, beim Treppen steigen oder bei der Mannarbeit
plötzlich aufschreien, die Aufgabe unterbrechen oder verweigern und
anschließend lahmen. Bei der genaueren Untersuchung stellt sich
oftmals heraus, dass sie an einem sogenannten Cauda equina Syndrom
(CES) leiden. Darunter verstehen wir ein Einklemmen oder eine
Entzündung von Nerven am Übergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein.
Im Volksmund wird dieses Phänomen treffend als Hexenschuss
umschrieben. Das Syndrom kann in verschiedenen Schweregraden und
Formen auftreten, abhängig davon, welche Nerven wie stark betroffen
sind. Bei erkrankten Hunde werden denn auch unterschiedliche Befunde
erhoben, zum Beispiel:
• Schmerz im Kreuz-Lendenbereich, Schmerzen beim Strecken der
Hüftgelenke oder beim Hochbiegen des Schwanzes,
• Lahmheit oder Ausfalls Erscheinungen eines oder beider Hinterbeine,
• Empfindungsstörungen in den Hinterbeinen, im Schwanz oder um den
After,
• Muskelschwund in der Hinterhand,
• verminderte oder fehlende Reflexe in der Hinterhand,
• unkontrollierter Absatz von Harn oder von Kot.
Der Verdacht eines CES wird in der Regel durch eine
Röntgenkontrastuntersuchung oder durch ein Computertomogramm oder eine
Magnetresonanztomogramm erhärtet. Auf einer Röntgenaufnahme ohne
Kontrast hingegen kann die Diagnose nicht gestellt werden, da die
Nerven selber nicht sichtbar sind. Die Krankheit wurde von Prof. Dr.
J. Lang in einer früheren wissenschaftlichen Beilagen in dieser
Zeitschrift detailliert beschrieben. Bei der Untersuchung betroffener
Hunde hat Neurologe Dr. Frank Steffen beobachtet, dass viele von ihnen
zwischen Lende und Kreuzbein einen missgebildeten Wirbel, einen so
genannten Schaltwirbel oder Übergangswirbel aufwiesen. Er vermutete
- und Anhaltspunkte dafür sind
auch in der Literatur zu finden – dass diese Missbildung das Auftreten
eines CES begünstigt. Seine Beobachtung löste einen ganze Kette von
Fragen aus, die wir zu beantworten versuchten, nämlich:
• Wie häufig kommen derartige Schaltwirbel bei Rassehunden vor?
• Bestehen unterschiedliche Formen?
• Treten sie bei gewissen Rassen gehäuft auf?
• Bestehen Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen?
• Werden sie vererbt oder wenn ja, wie?
• Besteht wirklich ein Zusammenhang zwischen Schaltwirbeln und CES?
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die Röntgenbilder von 4000
Hunden aus 144 verschiedenen Rassen, die der HD-Kommission in Zürich
zur Beurteilung der Hüftgelenke vorgelegt worden waren,
nachuntersucht. Glücklicherweise konnte ohne Schwierigkeiten auf die
große Röntgenbildersammlung der HD-Kommission zurückgegriffen werden.
Alle Angaben zum Hund wurden anonymisiert, es wurden ausschließlich
statistisch nutzbare Daten, wie Rasse, Alter und Geschlecht erhoben.
Bevor wir unsere Ergebnisse betrachten und diskutieren, einige
Informationen zur Anatomie. Die Wirbelsäule besteht aus einzelnen
Wirbeln. Zwischen den Wirbelkörpern liegt eine Zwischenwirbelscheibe
(Diskus). Kleine Wirbelgelenke am Wirbelbogen verbinden die
Wirbelkörper untereinander. Die Wirbel selber sind unterschiedlich
geformt. Eine Besonderheit bildet das Kreuzbein, das bei normalen
Hunden aus 3 miteinander verwachsenen Wirbeln besteht. Es verbindet
die Wirbelsäule mit dem Becken (Abb. 1).
Ein Schaltwirbel ist ein missgebildeter Wirbel zwischen der
Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein. Er zeigt Eigenschaften von beiden
Wirbelsäulenabschnitten und wird deshalb als Übergangswirbel oder
Schaltwirbel bezeichnet. Schaltwirbel werden bei vielen Tierarten und
auch beim Menschen beobachtet. In der wissenschaftlichen Literatur
finden sich Hinweise, die besagen, dass Schaltwirbel beim Hund ein CES
begünstigen können. Der Grund ist vermutlich eine Schädigung der
Zwischenwirbelscheibe zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein und als
Folge davon ein Schädigung von Rückenmarksnerven, welche dort
austreten.
Abb. 1: Normale Anatomie am
Kreuz-LendenÜbergang. Der Hund liegt in Rückenlage. Der letzte
Lendenwirbel trägt beidseits normal
geformte Querfortsätze, das Kreuzbein besteht aus 3 verwachsenen
Wirbeln.
4000 Hunde
untersucht
Was haben unsere Untersuchungen ergeben? Von den
4000 untersuchten Hunde wiesen 138 oder rund 3,5% einen Schaltwirbel
auf. Gehäuft waren Schaltwirbel beim Deutschen Schäferhund und beim
Grossen Schweizer Sennenhund zu finden. Extrem häufig kam die
Veränderung beim Shar-Pei vor, wo jeder 5. Hund betroffen war.
Allerdings konnten wir nur 26 Vertreter dieser Rasse untersuchen.
Selten hingegen waren Schaltwirbel bei Golden und Labrador Retriever,
und überhaupt nicht zu finden waren sie beim Appenzeller Sennenhund
und beim Tervueren. Die Zahlen in Tabelle 1 sollen einen Überblick
über ihre Häufigkeit geben. Es sind nur Rassen erwähnt, von denen
mindestens 50 Hunde untersucht werden konnten. Deshalb ist der
Shar-Pei dort nicht aufgeführt. Die Missbildung dieser Schaltwirbel
ist sehr variabel. Deutlich unterschieden sich die Querfortsätze, bei
denen wir 3 verschiedene Typen beobachten konnten:
• lumbale oder freie, normale Querfortsätze ohne Verbindung zum Becken
• intermediäre Querfortsätze, die zum Teil mit dem Becken verbunden
sind
• sakrale oder seitliche Fortsätze, die vollständig mit dem Becken
verbunden sind
Schaltwirbel, welche rechts und links den selben Typ Fortsätze trugen,
wurden als symmetrische, solche mit unterschiedlichen Fortsätzen, als
asymmetrische Schaltwirbel bezeichnet. Symmetrische und asymmetrische
traten praktisch gleich häufig auf (Abb. 2).
Abbildung 2: Zwischen
Lendenwirbelsäule (oben) und Kreuzbein liegt ein Schaltwirbel. Er
zeigt nur rechts im Bild einen normalen Querfortsatz,
auf der linken Seite ist dieser mit dem Becken verwachsen. Die
Verbindung zum Becken ist sehr asymmetrisch ausgebildet.
Welche Schlüsse können wir
aus unseren Ergebnissen ziehen? Schaltwirbel kommen relativ häufig
vor, die einzelnen Rassen sind aber sehr unterschiedlich betroffen.
Das gehäufte Auftreten in einzelnen Rassen deutet auf eine erbliche
Veranlagung hin. Allerdings ist im Moment weder der Erbgang noch die
Heritabilität (d.h. der Einfluss der Gene auf das Auftreten und die
Form eines Schaltwirbels) geklärt. Ein Unterschied in der Häufigkeit
zwischen Rüden und Hündinnen war nicht festzustellen, Schaltwirbel
kamen bei beiden Geschlechtern gleich häufig vor. Zur Klärung der
Frage, ob zwischen einem Schaltwirbel und einem CES ein Zusammenhang
besteht, haben wir die Röntgenbilder von 92 Hunden mit nachgewiesenem
CES nachgeprüft. Es zeigte sich, dass 15 von ihnen (16,3%) einen
Schaltwirbel aufwiesen. Die Stelle der Nervenschädigung lag stets
zwischen dem letztem Lendenwirbel und dem Schaltwirbel. Eine weitere
Frage war, ob CES bei Hunden mit Schaltwirbeln früher auftritt als bei
anderen Hunden. Bei der Durchsicht der 92 Hunde mit CES zeigte sich,
dass das Durchschnittsalter der Hunde mit Schaltwirbel bei knapp 5
Jahren lag, bei jenen ohne Schaltwirbel bei rund 61/2 Jahren. Aus den
gewonnen Daten lassen sich mehrere Schlüsse ziehen: Hunde mit
Schaltwirbel haben ein 5 mal höheres Risiko für CES als Hunde ohne
Schaltwirbel. Wenn Schaltwirbel keinen Einfluss auf die Ausbildung
eines CES hätten, sollten nur 3 der 92 CES Hunde einen solchen
Schaltwirbel zeigen. Gezählt haben wir aber 15 Hunde. Die meisten von
ihnen (12 der 15 Hunde) zeigen einen symmetrischen Schaltwirbel mit
intermediären seitlichen Fortsätzen. Eine ähnliche Verteilung der
Schaltwirbel-Typen finden wir auch bei den 4000 klinisch unauffälligen
Hunden der HD-Gruppe. Wir schließen daraus, dass die Form der
seitlichen Fortsätze für die Entstehung von CES keine wesentliche
Rolle spielt. Hunde mit einem Schaltwirbel erkranken ein bis
zwei Jahre früher am CES, als solche ohne Schaltwirbel. Diese
Beobachtung lässt vermuten, dass die Fehlbildung zu einem vorzeitigen
Verschleiß der Verbindung zwischen Lende und Kreuz und damit zu
früheren klinischen Anzeichen der Krankheit führt. Wie ist diese
Beobachtung zu erklären ? In der Lendenwirbelsäule ist die
Beweglichkeit zwischen den einzelnen Wirbeln am größten im Übergang
Kreuz – Lende. Aus Studien von Prof. Lang ist bekannt, dass bei Hunden
mit einem Schaltwirbel im Lumbosakralgelenk die Beweglichkeit und
Kraftverteilung verändert ist. Bei normalen Hunden über wiegt die
Drehung, bei solchen mit einem Schaltwirbel hingegen die
Parallelverschiebung. Diese führt vermehrt zu Scherkräften, was
Schäden an der Bandscheibe und den Bändern der Wirbelsäule verursacht.
Diese Schäden sind vermutlich ein Grund für das gehäufte Auftreten von
CES bei Hunden mit einem Schaltwirbel. Eine weitere Ursache ist die
veränderte Beweglichkeit des Schaltwirbels. Durch den Beckenkontakt
ist er weniger beweglich. Als Folge werden der nächste kopfwärts
gelegene Diskus sowie die Bänder und Gelenke übermäßig belastet, sie
degenerieren vorzeitig. Dies wiederum begünstigt eine Schädigung des
Diskus und ein CES. Ähnliche Beobachtungen wurden auch beim Menschen
gemacht, wo Schaltwirbel zu Verengung des Wirbelkanals und der
Nervenwurzelkanals, Arthrose der kleinen Wirbelgelenke und zu
Diskusdegeneration unmittelbar kopfwärts des Schaltwirbels führen
können. Beobachtet wurde auch, dass der Diskus zwischen Schaltwirbel
und Kreuzbein nicht vollständig ausgebildet ist. Er besteht oftmals
nur aus bindegewebigem Material und enthält kaum gallertiges
Puffergewebe (Nukleusmaterial). Eine Diskushernie zwischen
Schaltwirbel und Kreuzbein ist deshalb relativ selten zu beobachten,
weil gar kein Material für einen Vorfall vorhanden ist. Auch bei
unseren Hunden fehlten Hinweise für eine Erkrankung der
Zwischenwirbelscheibe zwischen Schaltwirbel und dem Kreuzbein. Wird
ein Schaltwirbel vererbt? Diese Frage können wir an Hand unserer Daten
weder beweisen noch verwerfen, die Verwandtschaft der untersuchten
Hunde ist nicht eng genug. Die unterschiedliche Häufung von
Schaltwirbeln bei den verschiedenen Rassen und das gelegentliche
Auftreten von mehreren Hunden mit Schaltwirbeln im selben Wurf lässt
aber die Vermutung aufkommen, dass Schaltwirbel in der Tat erblich
beeinflusst werden. Was folgern wir daraus? Wenn sich unser Verdacht
bestätigt, dass für das Auftreten eines Schaltwirbels eine genetische
Veranlagung besteht, sollten Hunde mit Schaltwirbeln nicht zur Zucht
verwendet werden. Es ist auch nicht ratsam, einen Hund mit einem
Schaltwirbel einer teuren und zeitaufwändigen Ausbildung zu
unterziehen, da er ein höheres Risiko hat, wegen einem CES vorzeitig
aus der Arbeit auszuscheiden.
Autoren:
Mark Flückiger, Natascha
Damur-Djuric, Joe Morgan, Michael Hässig und Frank Steffen
Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich
Schaltwirbel
- beeinflussen sie die Entwicklung der Hüftgelenke?
Jährlich werden in der Schweiz durch die beiden HD-Kommissionen der
Schweiz die Röntgenbilder von rund 2500 Hunden auf
Hüftgelenksdysplasie (HD) geprüft. Darunter finden sich immer wieder
Hunde, bei denen der letzte Lendenwirbel oder der erste Kreuzwirbel
deutlich missgebildet ist. Die Missbildung kann sich in verschiedenen
Formen zeigen: Die Querfortsätze können einseitig oder beidseitig
verformt sein und sie können Kontakt mit dem Becken haben. Zusätzlich
kann die Verbindung zwischen Wirbelsäule und Becken auf einer Seite
verschoben oder verkürzt sein. Die Missbildung wird als Schaltwirbel
oder Übergangswirbel bezeichnet. Bei einigen dieser Hunde sind auch
die Hüftgelenke unterschiedlich ausgebildet Das eine Gelenk ist
normal geformt, während das andere Anzeichen von HD zeigt oder die
Hüftgelenke unterscheiden sich im HD-Grad. Vom Gesichtspunkt der
Genetik aus ist es aber unerklärlich, wieso die beiden Hüftgelenke
unterschiedlich ausgebildet werden. Auch Umwelteinflüsse wie die
Fütterung des Hundes sollten darauf keinen Einfluss haben, höchstens
eine Verletzung des einen Hüftgelenks könnte diesen Befund erklären.
Abbildung 1 zeigt die normale Anatomie der Hüftgelenke und des
Überganges zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein von unten gesehen,
Abbildung 2 zeigt einen asymmetrischen Schaltwirbel und eine
unter schiedliche HD-Ausprägung links – rechts. Es stellte sich
deshalb die Frage, ob der Schaltwirbel für die ungleiche Entwicklung
der Hüftgelenke beim Hund verantwortlich ist und wie der Befund zu
erklären ist. Der Züchter wiederum möchte wissen, ob er Hunde mit
Schaltwirbel mit gutem Gewissen in der Zucht einsetzen kann. Um die
Fragen beantworten zu können, haben wir die Röntgenbilder von 4000
zufällig ausgewählten Hunden aus dem Bilderfundus der HD-Kommission
Zürich nachgeprüft. Insbesondere nachgegangen wurde folgenden Fragen:
1. Wie viele Hunde weisen einen Schaltwirbel auf?
2. Wie stark unterscheiden sich die beiden Hüftgelenke bezüglich HD im
Durchschnitt bei Hunden ohne Schaltwirbel?
3. Wie stark unterscheiden sich die beiden Hüftgelenke bezüglich HD im
Durchschnitt bei Hunden mit Schaltwirbel?
4. Ist der Unterschied statistisch signifi - kant d.h., ist ein
zufälliger Unterschied ausgeschlossen?
5. Welche Zuchtempfehlung können für einen Hund mit Schaltwirbel
abgegeben werden?
Aus unserem ersten Bericht zu
Schaltwirbeln geht hervor, dass 138 von 4000 Hunden oder knapp 3,5
Prozent einen Schaltwirbel aufwiesen. Dabei stammten die Bilder von
Hunden aus 144 verschiedenen Rassen. Je nach Rasse variierte die
Befallshäufigkeit zwischen 0 und 19 Prozent. Die zweite Frage ließ
sich an Hand der 3862 (4000–138) Hunde nachprüfen, die keinen
Schaltwirbel aufwiesen. Ihre Hüftgelenke waren rechts und links
mehrheitlich gleichartig ausgebildet und zwar sowohl bei Hunden mit
normalen und dysplastischen, das heißt fehl gebildeten Gelenken. Die
Gelenke unterschieden sich im Durchschnitt lediglich um 0,2 Punkte auf
der Schweizer Bewertungsskala, was lediglich 1/10 HD-Grad entspricht.
Bei den 138 Hunden mit Schaltwirbel zeigte sich ein anderes
Bild. Von diesen Hunden wiesen 68 einen symmetrischen, also auf
beiden Seiten gleich fehl bebildeten Schaltwirbel auf. Bei diesen
Hunden bestand in der Regel ebenfalls kein Unterschied im HD-Grad
zwischen rechtem und linkem Hüftgelenk. Die vereinzelt beobachtete
Differenz im HD-Grad war meistens auf eine Lockerheit der Hüftgelenke,
die sich unterschiedlich stark darstellte, oder auf ein leicht gradig
verkipptes Becken während dem Röntgen zurückzuführen. Bei den Hunden
mit einem asymmetrischen Schaltwirbel hingegen waren die
Unterschiede im HD-Grad ausgeprägter. So zeigten die 33 Hunde mit
einem leicht asymmetrischen Schaltwirbel des Typs lumbal/intermediär
zwischen den beiden Hüftgelenken bereits einen Unterschied von
durchschnittlich 1,6 Punkten. Bei den 15 Hunden mit ausgeprägt
asymmetrischen Schaltwirbel vom Typ lumbal/sakral war der Unterschied
zwischen den Gelenken mit 3,8 Punkten noch stärker. Das schlechtere
Gelenk wies dabei Anzeichen einer ungenügenden Pfannenentwicklung und
einer übermäßigen Lockerheit auf. Weiter auffällig war, dass stark
asymmetrische Schaltwirbel gehäuft verkippt waren, also nicht korrekt
in einer Linie mit den benachbarten Wirbeln ausgerichtet standen.
Dabei trat diese Verkippung häufig auch mit einer gleichzeitigen
Verkippung des Beckens um seine Längsachse auf. Die Folge war ein
einseitiger Beckenhochstand und zwar auf jener Seite, auf welcher der
Schaltwirbel stärker mit dem Becken verbunden war. Dieser Befund wird
als einseitige Sakralisierung des Schaltwirbels bezeichnet.
Auslöser für fehl gebildetes Hüftgelenk
Die Verkippung des Beckens erklärt die unterschiedliche Ausformung
der beiden Hüftgelenke. Dazu einige Vorbemerkungen. Es ist bekannt,
dass sich ein Hüftgelenk nur normal ausbildet, wenn der
Oberschenkelkopf während dem Wachstum ausreichend stark in die
Gelenkspfanne gepresst wird. Dafür verantwortlich ist gesundes
Bindegewebe und eine gut entwickelte Muskulatur. Wenn aber das Gelenk
locker ist und der Oberschenkelkopf aus der Pfanne herausrutschen
kann, bildet sich kein normales Hüftgelenk aus. Die Gelenkspfanne
verflacht und das Pfannendach bildet sich nicht korrekt aus, beides
Zeichen einer HD, die zu Arthrose und damit zu Schmerzen führen kann.
Eine derartige Fehlbildung des Hüftgelenkes kann durch ein verkipptes
Becken auf der Seite des Hochstandes ausgelöst werden. Der Kopf wird
vom Pfannendach zu wenig überdacht, die Pfanne selber wird an ihrem
Rand übermäßig belastet und kann sich nicht richtig ausbilden, das
Hüftgelenk wird dysplastisch.
Unterschiedlich schwere HD-Grade
Auf der Gegenseite hingegen ist die Überdachung des
Oberschenkelkopfes überaus gut, sie verhindert ein Herausrutschen aus
der Pfanne, es bildet sich ein gutes Hüftgelenk aus. (Dieser Einfl uss
der Beckenstellung auf die Entwicklung des Hüftgelenks wird übrigens
bei Hunden mit lockeren, aber noch arthrosefreien Hüftgelenken
therapeutisch genutzt in der Methode der Beckenschwenk-Osteotomie oder
Tripel-Pelvic-Osteotomy. Sie verhindert weitgehend eine
Arthrosebildung bei Hunden mit lockeren Hüftgelenken.) Bei Hunden mit
einer Veranlagung zu HD entwickelt sich wegen der unterschiedlichen
Überdachung verschieden schwere HD Grade. Für den Gutachter ist es
aber nicht möglich, zu erkennen, ob der Hund nur wegen seinem schief
gestellten Becken auf der einen Seite ein schlechteres Hüftgelenk
ausgebildet hat oder ob er wegen seiner genetischen Vorbelastung
ohnehin zu HD neigt und deshalb nicht zur Zucht verwendet werden
sollte. Welche Schlüsse ziehen wir aus unseren Resultaten? Wir wissen
nun, dass sich die Hüftgelenke bei Hunden mit einem ausgeprägt
asymmetrischen Schaltwirbel gehäuft unterschiedlich entwickeln. Das
stärker veränderte Hüftgelenk kann im Lauf des Lebens zu Schmerzen
führen. Wir be-
werten deshalb einen Hund mit einem Schaltwirbel genau gleich wie
einen Hund ohne Schaltwirbel, obwohl uns bewusst ist, dass
möglicherweise nicht eine HD im Sinne einer genetisch bedingten
Fehlbildung des Gelenkes selber vorliegt. Damit gelten auch dieselben
Richtlinien wie bei Hunden mit «klassischer» HD, sie sollten nicht zur
Zucht verwendet werden. Da ein Schaltwirbel nur bei rund 3,5 Prozent
aller Hunde auftritt und von diesen nur jene gefährdet sind, bei denen
der Schaltwirbel deutlich asymmetrisch ausgebildet ist, verbleiben
noch ganze 1,2 Prozent der untersuchten Hunde als Risikogruppe. Auch
von diesen zeigen nicht alle die beschriebene ungleiche
Hüftgelenksentwicklung, so dass im schlimmsten Fall nur rund 1 von 100
untersuchten Hunden als Folge eines Schaltwirbels aus der Zucht
ausgeschlossen wird. Dieser geringe Aderlass ist in jeder Rasse
problemlos zu verkraften. Allerdings sind bei wenigen Rassen mehr als
3,5 Prozent der Hunde von einem Schaltwirbel betroffen. Bei ihnen muss
der Zuchteinsatz individuell abgeklärt werden. Unbeantwortet ist aber
immer noch die Frage, ob Hunde mit einem Schaltwirbel grundsätzlich
zur Zucht gesperrt werden sollten, da sie eine Missbildung aufweisen,
von der wir vermuten, dass sie eine genetisch Grundlage hat und die
gehäuft zum Krankheitsbild der Cauda equina Kompression führt.
Autoren: Mark Flückiger, Natascha Damur-Djuric, Joe Morgan,
Michael Hässig und Frank Steffen
Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich
Informationen über die
Stiftung im Internet unter
www.albert-heim-stiftung.ch
-nach Oben- |
|